Blog – Kreatives und andere Wahrheiten

Aller Anfang ist schwer

Der Anfang ist manchmal das schwierigste. Viele beginnen die ersten Arbeiten an einem Comic mit freiem Skizzieren, die ersten Bilder, grobe Charakterentwürfe, alles, was einem zuerst in den Sinn kommt. Mancheiner schreibt auch nach der ersten zündenden Idee sofort das fertige Skript drauf los oder notiert zumindest die ersten Gedanken zur Grundstory. Alles mögliche Herangehensweisen, die allerdings voraussetzen, das man bereits zumindest eine Grundidee für einen Comic hatte.

Ich möchte hier jedoch noch einen Schritt vorher ansetzen: Was tun, wenn ich nun so gar keine Idee habe, aber gerne einen Comic machen würde? Es gibt eine gefühlte Milliarde an Vorschlägen zur Ideenfindung, wie dem berühmten „Geht mit offenen Augen durch die Welt, geht doch mal zu Fuß von der Arbeit nachhause“ u. Ä., deren Aufzählung im Einzelnen ich euch hier erspare, jeder funktioniert anders, jeder findet anders seine Inspiration. Lediglich ein paar Arten der Ideenfindung, die sich für mich persönlich bewährt haben, möchte ich euch mit an die Hand geben.

1. Themenfindung nach dem Ausschlussverfahren: Fast jeder hat so was wie ein „Lieblingsgenre“, arbeitet euch doch zunächst nach dem Ausschlussprinzip durch verschiedene Genres, Western findet ihr doof? Also wird es schon mal kein Western. Liebesgeschichten sind öde? Auch gestrichen. Arbeitet euch von „groß nach klein“ vor, je mehr ihr ausschließt, desto klarer werdet ihr euch über das, was ihr wollt. Habt ihr das Genre könnt ihr wieder von „groß nach klein“ vorgehen und ausschließen, was innerhalb eines Genres ihr alles nicht machen wollt, bis zumindest ein Grundthema übrig bleibt.

2. Mindmaps: Oder auch Schlagwortwolken, einfach mal wild alles aufschreiben, was euch so in den Sinn kommt, alles durcheinander, alles kreuz und quer. Vielleicht gehören doch bestimmte Begriffe zueinander oder lassen sich verbinden? Vielleicht kristallisiert sich doch im Laufe der Zeit heraus, was ungefähr ihr für einen Comic machen wollt?  Die Visualisierung eurer eigenen Gedankenwelt kann manchmal die zündende Idee bewirken.

3. Von etwas vorhandenem inspirieren lassen: Was habt ihr für Vorbilder? Welche Geschichten findet ihr gut und warum? Oder gibt es etwa eine reale Begebenheit, vielleicht sogar eine eigene Erfahrung aus der sich so oder durch Hinzufügen erfundener Aspekte eine Story stricken lässt? Inspirieren lassen (ohne dabei ein Werk nur mit anderen Namen komplett zu kopieren) ist okay. Schaut euch an, was euch sonst so gefällt, dann habt ihr vielleicht schon einen guten Einfall.

Ihr habt schon eine Idee? Herzlichen Glühstrumpf. Dann kann man sich anhand dieser Idee weiter voran hangeln, Hintergründe recherchieren, handelnde Charaktere festlegen und direkt weiterlesen.

Was kommt alles an Arbeit, bevor der Comic geschrieben wird?

plottingteil1-1Recherchieren: Das Thema oder die Idee zu haben ist eine Sache. Viel schwieriger und langwieriger als der gute Einfall ist häufig die Ausarbeitung. Erzählt eure Geschichte eine historische Begebenheit oder spielt in einem fremden Land, so bietet es sich an erst einmal Recherche zu betreiben, Infos zusammenzutragen und Fakten zu sammeln, je mehr ihr recherchiert, desto glaubwürdiger kann eure Geschichte werden. Oder erzählt ihr eine fantastische Geschichte, deren fiktive Welt erst noch komplett aufgebaut werden muss? Auch hier kann Recherchieren sinnvoll sein, viele Fantasy-Stories haben Anleihen in der (vergangenen) realen Welt. In jedem Fall lohnt es sich Details der Welt, in der alles spielt, festzulegen.

Da wir hier immer noch von Comics reden, macht es sehr viel Sinn schon jetzt nach grafischen Vorlagen zu suchen, ich lege mir häufig, bevor ich mit einem Comic richtig loslege, mehrere Ordner auf meinem Rechner an, für alles mögliche an Bildern. Klamotten, Orte, Personen, Farbwelten, tragt alles zusammen, was euch zu eurer Story passend erscheint, es kann sowohl beim Schreiben des Skriptes (ihr wisst schon, Beschreibungen der Szene und der Charaktere) als natürlich auch später beim Zeichnen helfen.

Checklisten anlegen: Abseits von der eigentlichen Handlung (deren Struktur und Erzählen wir uns übrigens noch in folgenden Teilen widmen werden), fange ich auch gerne damit an kleine Checklisten oder To-Do-Listen für den Comic anzulegen. Dies kann sehr verschiedenartig aussehen, aber ich frage mich dazu gerne Dinge wie: Welche Kernaussage soll der Comic am Ende wiedergeben? Oder: Welche Grundstimmung soll beim Lesen rüberkommen? Manchmal ist man so schön im Schreiben oder Zeichnen des Comics drin, dass man ein wenig den berühmten „roten Faden“ einer Geschichte verliert. Checklisten, die ihr vor dem Schreiben der Story erstellt und während des Schreibens immer wieder durchgeht, können helfen dem etwas entgegenzuwirken.

Auch könnt ihr Checklisten dazu benutzen, dass ihr bestimmte Ideen nicht vergesst. Zum Beispiel: „Ich möchte unbedingt eine Kneipenschlägerei drin haben, weiß aber noch nicht wie und ob die sich einbringen lässt!“ Erst mal notieren, später kann man immer noch schauen, ob sich so was einbringen lässt oder nicht.

Was ist anders beim Erzählen im Comic als beim Erzählen in Filmen, Büchern, etc.?

Grundsätzlich kann man sich durchaus an allgemeinen Tipps und Erklärungen zum Schreiben von Texten orientieren, auch wenn man am Ende ein Comicskript schreiben möchte. Ein paar Kleinigkeiten kann man dennoch bei der Arbeit am eigenen Comic beachten.

Platz: Während man in einem Buch schier unendlich viel Platz für detaillierte Hintergrundgeschichten der Charaktere, Beschreibungen der Welt und der Ort, Platz für ausgedehnte Dialoge und überhaupt hat, muss ein Comic doch letztendlich mit weniger Platz auskommen, denn auch wenn eine Buchseite zu schreiben schon einiges an Zeit erfordert, braucht das Erstellen einen fertigen Comicseite meist länger, da sie ja nicht nur geschrieben, sondern auch noch gezeichnet werden möchte. Letztendlich muss man also doch an bestimmten Stellen seine Comicstory auf das Wichtigste herunter brechen und versuchen mit wenig viel zu erklären. Behaltet von Anfang an im Kopf, dass am besten ist, wenn ihr lieber einen Satz weniger formuliert, diesen dafür aber treffend und prägnant, so dass es gar nicht so viele Erklärungen braucht. Passt eure Texte dem Format des Comic an, ihr schreibt kein Buch mit Bildern!

plottingteil1-2Texte auf Bilder auslagern: Bücher können sich oft in schönen und detaillierten Szenenbeschreibungen ergehen. Wo befinden wir uns gerade, wie sieht die Szenerie aus, wie sieht der Protagonist aus, wie bewegt er sich? Ein Roman muss das alles textlich erklären und auch einfache Beschreibungen können sich sehr schön lesen. Trotzdem, wenn ihr einen Comic schreibt, habt im Hinterkopf, dass ihr Informationen auf die Bilder auslagert. Gerade wenn man das Skript schreibt, neigt man manchmal dazu kurz zu vergessen, dass es eigentlich um einen Comic geht. Also vielleicht den Erzähler in der Textbox einen Satz weniger sagen lassen und die dem Leser zu erläuternde Info aufs Bild auslagern.

Funktioniert übrigens nicht nur mit äußerlichen Beschreibungen, auch Stimmungen (wie fühlt sich der Charakter gerade?) müssen nicht rein textlich beschrieben werden, in einem Comic kann dies die Farbgebung, der Gesichtsausdruck/die Haltung des Charakters oder auch die Kameraperspektive wiedergeben. Ihr wisst ja, ein Bild sagt mehr als Tausend Worte!

Noch ein paar Worte zur Organisation

Nicht jeder arbeitet für jedes Projekt strukturiert Schritt für Schritt nacheinander. Manch einer arbeitet scheinbar chaotisch und hat die Ordnung im Kopf (ich zähle mich durchaus manchmal auch dazu). Eventuell kann es trotzdem hilfreich sein eine gewisse Ordnung in sein Comicprojekt zu bringen und diese während der Arbeit zu halten. Es kann bei all dem Recherchematerial, den Textentwürfen, Charakterentwürfen etc. schon mal unübersichtlich werden und gerade Neulingen kann es helfen das Material zu ordnen, um schnell zu finden, was man sucht.

Wie man Ordnung hält bleibt einem selbst überlassen, für manch einen tut es vielleicht der gute alte (analoge) Ordner mit verschiedenen Trennblättern, gefüttert mit losen Blättern, Zeitungsausschnitten und vielem mehr. Ich persönlich kann seit einiger Zeit durchaus Programme wie Scrivener oder Ulysses (ich benutze ersteres) empfehlen, die einem helfen nicht einfach einen Text zu schreiben, sondern ein ganzes Projekt mit Bildern, Weblinks etc. zu erstellen und den Überblick darüber zu behalten, was sich für mich mittlerweile besser anfühlt als zig verschiedene unsortierte .doc-Dokumente!

TIPP!
Absolut alles, was ihr zum Erzählen an sich, zu Erzähltheorien, Storytelling usw. findet, kann euch für das weitere Schreiben nützen. Oder schaut euch doch mal einen Film oder eine Serie an, indem ihr lediglich auf die Art und Weise des Erzählens achtet. Ich betrachte Comics gerne als das Bindeglied zwischen Büchern und Filmen, insofern kann man aus beiden „Welten“ viel für das Erzählen in Comics lernen.
  1. Claudia

    25. September 2016 at 11:52

    Danke für diese sehr hilfreichen Tipps!
    Zu lesen wie jemand bei seiner Arbeit vorgeht finde ich immer sehr interessant, so kann man sich viel eher ein Bild davon machen.
    Liebe Grüße
    Claudia