Interessante Dialoge schreiben ODER Kann denn die Kinder keiner lehren, wie man spricht?! Teil 2
Dass wir die Art und Weise zu sprechen unserer Figuren stark beim Schreiben der Dialoge einbeziehen sollten, haben wir jetzt gelernt. Doch dies ist nur eines der Teile, die gute Dialoge von schlechten unterscheiden. Häufig wird an Dialogen bemängelt, dass diese „zu steif“ oder „zu gekünstelt“ klingen, was sicherlich auch stark von Leser zu Leser variiert oder sogar durchaus manchmal beabsichtigt vom Autor sein kann. Um jedoch aktiv seine eigenen Dialoge interessanter und weniger künstlich zu formulieren, gibt es einige Tipps, die helfen können. Wie immer macht aber auch Übung den Meister!
Grundgerüst für den Dialog festlegen
Auch beim Schreiben der Dialoge arbeite ich mich häufig von grob nach fein vor. Heisst ich schreibe selten einfach den Dialog drauf los, (es sei denn, ich habe ihn aus irgendwelchen Gründen schon im Kopf ausgefeilt) sondern entwerfe erst einmal einen ungefähren Verlauf des Gespräches. Dort wird festgelegt, wer spricht, was das Thema des Gesprächs ist, wie das Gespräch verläuft (also wie es beginnt und endet) und welches Ziel es verfolgt. Grundsätzlich können Dialoge verschiedene Funktionen haben:
- Unterhaltend sein (und damit den Leser emotional berühren)
- Die Handlung vorantreiben
- Explizite oder implizite Informationen über die Figuren, ihr Verhältnis zueinander und/oder die Welt preisgeben
- Konflikte entstehen lassen oder enthüllen
Bei jeder Dialogzeile könnt ihr euch außerdem fragen, welche Metaaussagen in ihr stecken. Ein wenig dazu hatten wir im vorigen Abschnitt zu den Sprechweisen der Figuren schon. Berücksichtigt immer wie Kommunikation funktioniert und dass neben der Sachebene auch immer eine Gefühlsebene besteht. Fragt euch also:
- Was sagt diese Zeile über die Figur selbst aus?
- Was sagt diese Zeile über den Adressaten der Figur aus?
- Wie treibt diese Zeile die Gesamthandlung voran? (Oder:) Welche Funktion hat diese Zeile für den Dialog?
Ganz wichtig bei Comics (ihr kennt es schon): Das Platzproblem. Es ist nicht so endlos viel Platz in Comics wie in Romanen, auch nicht für endlose Dialoge. Also versucht die Dialoge pointiert zu schreiben. Bringt die Aussagen jeweils auf den Punkt statt „um den heißen Brei zu reden“ und Platz zu verschwenden. Verwendet starke Sätze statt Floskeln oder den übermäßigen Gebrauch des Konjunktivs. Sicher dürfen einer Figur auch mal „die Worte fehlen“, das macht sie glaubwürdig, dennoch solltet ihr während des Schreibens der Dialoge sehr drauf achten, dass eure Figuren so wenig wie möglich leere Phrasen reden. Denn dies langweilt den Leser und vergeudet wertvollen Platz.
Stay in character!
Beim Erstellen der Figuren wurde dies schon angesprochen, ich erwähne es jedoch nochmals, da es auch zum Schreiben der Dialoge noch einmal wichtig ist sich in Erinnerung zu rufen. Schreibt den Dialog nicht einfach so „wie er verlaufen soll, um die Handlung voranzutreiben“, sondern berücksichtigt die Stärken und Schwächen euer Charaktere.
Ein eigentlich immer ruhiger und zurückhaltender Charakter ist plötzlich von jetzt auf gleich extrovertiert und hat einen Wutausbruch? Kann theoretisch sein, wenn die Situation intensiv genug ist, dass sie eine solche 180° Wende rechtfertigt. Wenn dem so ist, sollte es auf jeden Fall nachvollziehbar sein. Wenn nicht, sollte auch das Verhalten des Charakters angepasst werden. Ein schüchterner Charakter hat seinen Wutausbruch vielleicht auf andere Art und Weise als eine extrovertierte, cholerische Figur und fängt eher an zu weinen oder sich aus der Situation zu ziehen, statt wild loszubrüllen?
Versetzt euch während der Dialoge ständig in eure handelnden Figuren und versucht zu empfinden, was sie mit ihren Wesenzügen empfinden würden, um ihre Handlungen und Worte dementsprechend anzupassen.
Überarbeiten
Manchmal gelingt der perfekte Dialog direkt auf Anhieb. Häufig aber auch nicht. Daher: Trotz aller guten Planung ist es sinnvoll seine Dialoge mehrmals zu überarbeiten. Wenn ihr während des „Runterschreibens“ mit einer bestimmten Stelle nicht zufrieden seid, aber gerade keinen besseren Weg wisst, markiert euch die Stelle mit einem Kommentar oder ähnlichem, um später noch einmal darauf zurückzukommen.
Es ist völlig normal und in Ordnung, dass sich ein Dialog vom ersten Entwurf bis zur finalen Version noch ein paar Mal verändert, geht auch hier wieder nach dem gewährten „von grob nach fein“-Prinzip vor.
Gut kann es auch sein Dialoge von anderen Personen gegenlesen zu lassen, von Freunden, Verwandten oder Bekannten. Eventuell erleben diese eure Dialoge anders als ihr selbst und können euch mit ihrem Feedback einen anderen Blickwinkel darauf geben. Überarbeiten, überarbeiten, überarbeiten!
Körpersprache, Baby!
Bei Comics sind die Figuren während der Dialoge meistens im Bild. Es ist also wenig abwechslungsreich, wenn sie in jedem Panel einfach nur steif dastehen und „reden“ und sich grafisch nur Gesichter und Sprechblasen abwechseln. Abgesehen vom Variieren der Kameraperspektiven und Einstellungen, solltet ihr daran denken, dass die Figuren auch über ihre Gestik und Mimik kommunizieren. Fragt euch also zusätzlich zu dem, was sie sagen, auch, wie sie sich dabei verhalten.
- Welche Mimik hat die Figur bei dieser Dialogzeile?
- Was macht die Figur während dieser Dialogzeile mit ihren Händen?
- Welche Körperhaltung hat die Figur bei dieser Dialogzeile insgesamt?
- Wie stehen die Figuren im Verhältnis zueinander und was drücken sie damit aus?
- Interagiert die Figur während der Dialogzeile mit der Umgebung oder mit Gegenständen?
Nicht nur die gesprochenen Worte sagen etwas über die Figur aus, auch ihre Gestik und Mimik dabei. Fühlt sie sich in die Enge getrieben und drückt dies in einer abwehrenden Körperhaltung aus? Oder ist sie wütend und macht sich zur Unterstreichung dessen groß und ballt die Fäuste nach vorne? Selbst bei weniger emotionalen Dialogen müssen die Figuren nicht nur dastehen, spielt mit dem Körper, denn ein wesentlicher Teil der Kommunikation verläuft nonverbal.
Möglichkeiten zum Gesprächsverlauf
Zu guter Letzt noch ein paar Ideen für eure Dialoge, wie in etwa man sie aufziehen kann. Im Prinzip funktionieren Dialoge nach dem Prinzip Aktion->Reaktion. Einige Möglichkeiten zur Variation gibt es dennoch:
- Monolog/Innerer Monolog
- Austauschen von Argumenten (oder Streit)
- Frage und Antwort
- Satz- oder Wortwiederholungen
- Unterbrechen/ins Wort fallen
- Pause/Schweigen
- Distanzdialoge (z.B. über Telefon/Skype) oder auch:
- Chatdialoge
Außerdem müssen sich die Figuren neben ihrer persönlichen Eigenheiten beim Sprechen nicht immer nur sachlich miteinander reden, einige Möglichkeiten zum „Färben“ von Dialogzeilen:
- Ironie und Sarkasmus
- Rhetorische Figuren und Stilmittel (davon gibt es viiieeele!)
- Redewendungen/Sprichwörter
- Geräusche/Gesten (z.B. Ein schnippisches „Pff“ statt einer Antwort oder ein ausgestreckter Mittelfinger anstelle von Worten)
- „Geheime“ Botschaften (Anspielungen, Bemerkungen, die nur die sich unterhaltenden Figuren, und der Leser, verstehen)
- Lüge/sich rausreden/ablenken