Blog – Kreatives und andere Wahrheiten

Comics in Deutschland – Bericht einer Betroffenen

Was sind Comics?

„Woran denkst du, wenn du das Wort Comic hörst?“ „Ja, an so was wie Asterix, Tim und Struppi … Oder wie meinst du das jetzt genau?“

Das oder ähnliches in die Richtung, kriegt man als Comiczeichner in Deutschland oft genug zu hören. Für jemanden, der sich nicht wirklich mit dem Thema Comics auseinandersetzt, was in Deutschland den allergrößten Teil der Gesellschaft ausmacht, bleiben Comics immer noch die „Literatur für Analphabeten“. Da sie mit Bildern erzählen, werden sie von vielen auf eine Stufe mit steinzeitlichen Höhlenmalereien unzivilisierter Kulturen gestellt. Comics sind für viele kein Teil der Kultur und auch nur halbherzig ein Teil von Kunst. Bestenfalls wird ihnen noch Unterhaltungswert zugestanden, wobei vielfach hierbei die Dünndruckpapierheftchen mit Micky-Maus-Geschichten im Hinterkopf sitzen.

Was sind Mangas?

Dann gibt es da noch die Mangas, ursprünglich japanische Comics, die sich nun auch in Deutschland großer Beliebtheit erfreuen. Wenn man Glück hat, fällt jemandem, den man zum Thema Comics befragt, auch noch der Begriff Manga ein. In Japan ist der Stellenwert der Mangas in der Gesellschaft ein ganz anderer als in Deutschland, so wie das zum Beispiel auch im frankobelgischen Raum der Fall ist. Sie werden dort nicht annähernd so stiefmütterlich behandelt wie hier und stellen einen wesentlichen Teil der Landeskultur dar. Manga ist im Prinzip nur das japanische Wort für Comics, wird aber heute zur bewussten Abgrenzung von Comics gebraucht. Sicherlich lassen sich aufgrund der unterschiedlichen Kulturen zahlreiche Unterschiede feststellen, es wird ganz anders erzählt, anders gezeichnet, generell ganz anders mit dem Medium umgegangen als das bei westlichen Comics der Fall ist. Die Trennung wird jedoch häufig nicht nur zur besseren Unterscheidung, sondern auch zur Abwertung benutzt. In beide Richtungen, je nachdem, ob man einen Mangafan oder einen Comicfan (oder gar Zeichner) vor sich hat. Ein Comiczeichner fühlt sich meist genauso auf den Schlips getreten wenn man seine Werke als „Manga“ einsortiert, (besonders als weiblicher Zeichner begegnet einem das häufig, da sehr viele Mädchen den Mangastil ausprobieren, selbst wenn sie es nicht lange und ernsthaft verfolgen) wie ein Mangazeichner, dem man unterstellt, dass er Comics produziere. „Grr, das heißt Manga!“

Was sind Graphic Novels?

Dann gibt es noch die Graphic Novels. Es ist der Versuch, Comics von ihrem „niederen Dasein“ als Unterhaltungsliteratur zu erlösen und auf eine Stufe mit Büchern zu stellen. Um Wikipedia zu zitieren: „Graphic Novel ist eine aus den Vereinigten Staaten übernommene Bezeichnung für Comics im Buchformat, die sich aufgrund ihres thematischen Anspruches und ihrer narrativen Komplexität vom normalen Heftcomic unterscheiden und sich dadurch an erwachsene Leser richten“. Dennoch ist die Definition von Graphic Novels schwammig und die Zuordnung eines Werkes zum Bereich Graphic Novels erscheint teilweise in Ansätzen willkürlich. Der Begriff wird nicht nur für als Bildergeschichte umgesetzte Werke der Literatur verwendet, sondern auch oftmals für epische, sehr lange Geschichten, jenseits des klassischen Comicalbumformates. Wie auch in der Definition enthalten spielt auch der Anspruch der Geschichte eine Rolle bei der Einteilung, was jedoch nicht so ein greifbares Kriterium wie zum Beispiel die Seitenzahl und daher recht schwierig ist.

Stiltrennung möglich?

Wie sehen eigentlich Comics aus? Und Mangas? Und Graphic Novels? Damit fängt das Problem schon an. Mangas sind häufig rein schwarzweiß, was sowohl beim Druck als auch bei der Herstellung Zeit und Geld spart. Es gibt aber auch schwarzweiße Comics und es gibt auch schwarzweiße Graphic Novels. Und was für ein Stil sind eigentlich Comics? Viele ordnen dem Begriff Comics häufig einen knuffig runden Cartoon-Stil zu. Jedoch gibt es auch zahlreiche Vertreter eines realistischen Stils, mitunter mit hohem ästhetischen Anspruch, wo die Zeichnung mehr als „Mittel zum Zweck“ darstellt. Auch ich habe das ein oder andere Album im Schrank, wo ich die Geschichte nicht so prickelnd finde, aber die Bilder gerne anschaue. Auf der anderen Seite kann eine tolle Geschichte auch mit einfachen Bildern fesseln, vielleicht sogar gerade deswegen.

Ich möchte hier aber nicht auf Laien herumhacken, nach dem Motto, ihr Kunstbanausen habt ja eh keine Ahnung. Die Einteilung ist auch für Comiczeichner und weitere Experten schwierig und uneindeutig. Ein Beispiel aus dem Leben: Ich selbst zeichne bei größeren Projekten am liebsten in einigermaßen realistischem Stil. Würde ich zumindest sagen. Stelle ich dies Mangazeichnern vor (nicht nur diese, sondern auch zaghafte Versuche Mangas zu zeichnen) höre ich häufig: „Das ist ja ganz schön, aber schon mehr so Richtung Comic.“ So weit so gut. Zeige ich dann wiederum Comiczeichnern meine Werke, kommt so etwas wie: „Das ist ja ganz schön, aber schon eher Richtung Manga.“

Ich persönlich bin gegen diese harte Stiltrennung und auch das sie weniger zur guten Unterscheidung sondern oft zur bewussten Abgrenzung benutzt wird. „Ich zeichne was besseres, als so was!“ So richtig weiß ich nicht, wohin mein Stil gehört, ich würde es schon unter Comics packen, einfach aus diversen technischen Gründen, aber vielleicht ist das auch egal. Dann zeichne ich eben keine Comics und keine Mangas, sondern TeMeLgeschichten.

Nachwuchsförderung

Als Comiczeichner hat man es nicht leicht in Deutschland. Als Zeichner von Mangas steht man dagegen schon um einiges besser da, der Weg nach oben ist zwar dennoch nicht gerade leicht, aber wesentlich einfacher als für einen Comiczeichner. Durch den großen kommerziellen Erfolg der Mangas, der auch nicht abreißen möchte, scheinen deutsche Mangazeichner (die sich oft mit dem japanischen Begriff Mangaka betiteln) wie Pilze aus dem Boden zu schießen. Es gibt jährlich zahlreiche Wettbewerbe, um den Verlagen frischen Manganachwuchs zu liefern. Mangas scheinen in Deutschland Anerkennung, Unterstützung und Aufmerksamkeit jeder Art zu finden. Die Förderung deutscher Comiczeichner ist weniger vielfältig, so richtig weiß man nicht wohin mit seiner Kunst, vom klassischen Bewerben von Verlagen abgesehen. Vielfach werden nur deutsche Übersetzungen ausländischer Comics in Deutschland verlegt. An Wettbewerben mangelt es ebenfalls, eine rühmliche Ausnahme bildet hier seit kurzem das Comicstipendium von ECC.

Fazit

Dieser Artikel soll nicht das Ergebnis zahlreicher Frustrationen sein, auch wenn an manchen Stellen ähnliche Töne angeschlagen werden. Auch möchte ich nichts und niemanden zu sehr kritisieren, sondern einfach nur erreichen, dass sich mehr Leute mal über dieses ganz spezielle Thema Gedanken machen. Es wird sicher noch lange brauchen, bis sich der Stellenwert von Comics in Deutschland ändert. Im Prinzip tragen Mangas schon ihren Teil dazu bei, wobei ich das künstlich entwickelte Konkurrenzdenken zwischen Mangas und Comics dabei als äußerst störend empfinde. Es gibt nicht DEN Comic und auch nicht DEN Manga oder DIE Graphic Novel, wir sollten wieder lernen mit weniger geistiger Schubladensortierung an die Werke ranzugehen, weniger vergleichen, sondern die Werke mehr für sich nehmen. Das sollten sich sowohl der Einzelne, als auch die Verlage zu Herzen nehmen. Macht doch mal einen Wettbewerb für Bildergeschichten! Das gibt bestimmt spannende, zwanglose Ergebnisse.

Tags:
  1. Lichtecho

    30. Oktober 2011 at 13:04

    Für meinen Geschmack gibt es viel zu wenig Sciencefiction-Comics und viel viel viel zu viel Fantasy. Da darf man sich nicht wundern, dass Comics nicht ernst genommen werden. Der allerbeste Comic den ich je und immerwieder gelesen habe ist ich“Universal War One“

  2. Temel

    30. Oktober 2011 at 13:08

    Es ist in der Tat etwas schwierig in der Comicwelt durchzublicken, das mein ich ja, dass es eben schwierig ist „Comics“ zu definieren.
    Vielleicht sollte ich hier mal ein paar „gute“ Comic-Tipps posten… oder Tipps wie man sich zurechtfindet.

  3. Aloxo

    30. Oktober 2011 at 17:19

    @lichtecho Ich seh das genau andersrum. Im Comicladen hier ist recht viel Science-Fiction, Fiction und Comicromane. Wie definierst du Fantasy?
    @temel Ich mag deine sequentielle Kunst, egal ob das nun als Comic oder Manga definiert wird.

  4. felixccaa

    2. November 2011 at 17:38

    wie schade, dass ich das nicht früher erfahren habe – unsere Ini hatte gerade eine hervorragende Ausstellung mit Comics von Georg v. Westphalen (u.a. „Bernd, das Brot“) und weiteren KünstlerInnen zum Thema „Du bist der Grund für ein Einkommen“ in der „Lichtung“ am Ubierring (Südstadt).

    Da diese Ausstellung von Anfang an als Wanderausstellug konzipiert war, wird sie außerdem ab dem 20. November in der Orangerie zu sehen sein im Rahmen des Theaterprojektes von 1000 Hertz „UTOPIA – Gesellschaft ohne Kapital?“.

    Vielleicht eine Anregung … =)

  5. Ianna

    15. Dezember 2011 at 17:02

    „Das ist ja ganz schön, aber schon mehr so Richtung Comic.“ So weit so gut. Zeige ich dann wiederum Comiczeichnern meine Werke, kommt so etwas wie: „Das ist ja ganz schön, aber schon eher Richtung Manga.“

    Woher kenne ich das nur? :/
    Ich versuch nächstes Jahr hier http://www.comic-salon.de/ dabei zu sein, um diese Welt mal nicht nur durchs Internet kennenzulernen :)

    Grüße

  6. Smolli

    8. Februar 2012 at 10:34

    Wie recht du doch hast. Als halber Belgier bin ich ja so froh, schon von klein auf mit Comics aufgewachsen zu sein. Der Unterschied zwischen Deutschland und Belgien – in Bezug auf Comics – wird mir immer besonders deutlich, wenn ich wieder mal in Brüssel bin. Comics sind da so normal wie Zeitungen. Unzählige kleine und große Comicläden überall. Kein Supermarkt ohne eine Comic-Abteilung. Hierzulande ist das noch Exotentum.

    Wenn ich jetzt nur das Geld hätte um mich regelmäßig einzudenken denn die Menschen hierzulande ahnen ja nicht einmal was für Schätze da in den Regalen stehen.

    Übrigens: Großes Kompliment für deinen Webcomic bei cafeleak. Gefällt mir ganz toll. Ursprünglich hatte mich Torsten darum gebeten, aber durch meine Fortbildung und dem Abschlussprojekt kam und komme ich zu gar nichts mehr. So bin ich heilfroh, dass er dich gefunden hat und nicht länger auf mich wartet, Hatte schon böse Gewissensbisse…

    Und im Gegensatz zu mir, kannst du sogar toll zeichnen :P

    Viel Glück und Spaß damit. Und auch schön, dass ich so deine Seite gefunden habe!

    lG
    Smolli

  7. SagIchNicht

    22. Juni 2012 at 18:04

    Mach doch mal einen Comic, über eine Manga Zeichnerin. Da kannst Du zwischen den beiden verschieden Stilen hin und her wechseln, vielleicht ja mit eine[rm] Manga Zeichner(in) zusammen.

  8. PingbackMedienmittwoch: Temel-Art | Flaschenpost