Blog – Kreatives und andere Wahrheiten

Die Qual der Wahl der Farben!

Ungefähr 20 Millionen Farben kann der Mensch unterscheiden. Wenn man sich als Künstler jeder Art mit der Frage beschäftigt: Wie gebe ich meinem Werk Farbe? Steht man also vor einer wirklich schwierigen Entscheidung. Zunächst einmal stehen einem mehrere Arten der Koloration zur Verfügung, es gibt traditionelle Wege, Aquarell, Acryl, Buntstift, etc. oder auch digitale Möglichkeiten, die sich je nach Programm und Machart genauso breit auffächern wie die traditionellen Möglichkeiten. Und hat man sich dann für eine Art der Kolorierung entschieden, tut sich zwangsläufig nun eine weitere wichtige Frage auf, mit der ich mich in diesem Text befassen möchte: Welche Farben wähle ich?

Farbkasten

Der allererste Impuls geht wahrscheinlich dahin, alles in den Farben zu kolorieren, wie sie halt natürlicherweise sind. Geht es also darum einen Baum zu kolorieren, würde der Stamm braun und die Blätter grün werden. Die tatsächliche Farbe eines Gegenstandes ohne Einwirkung von Licht oder Schatten bezeichnet man als Lokalfarbe, oder eben auch Gegenstandsfarbe. Wir kämen also wunderbar damit klar bei unserer Koloration alles so zu färben, wie wir es sehen. Aber angenommen, auf unserem Bild soll der Baum bei Nacht zu sehen sein, wie wählen wir dann unsere Farben? Zunächst einmal kann man sich natürlich auch durch Hinzufügen von anderen Elementen hierbei behelfen, eine Nacht kann man auch mit Mond und dunklem Himmel andeuten, während man alle anderen Gegenstände immer noch so färbt, wie sie sind.

Hierbei gibt es jedoch noch eine andere Möglichkeit der Farbwahl, denn neben der Lokalfarbe, die die tatsächliche Farbe eines Objekts meint, gibt es da noch die Erscheinungsfarbe. Mit dieser stellt man dar, wie sich die Farbe eines Objekts bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen verändert. So könnte unser Baum bei Nacht zum Beispiel in hellen oder dunklen Blautönen erscheinen. Das sind natürlich längst nicht die einzigen Möglichkeiten, die die Erscheinungsfarbe uns bietet. Bei flackerndem Kerzenlicht könnte alles in orangem, roten und rotbraunen Licht erscheinen, vor einem Computerbildschirm dagegen alles in kalten Grünblau-Tönen, die Möglichkeiten sind so vielseitig wie die Farben und Lichtsorten.

Nachtfarben

Darüber hinaus gibt es auch die Möglichkeit der Ausdrucksfarbe, die Farbe so zu wählen, dass sie eine bestimmte Aussage verdeutlicht. Schon Vincent van Gogh soll gesagt haben:

„Die wahren Maler sind die, welche die Dinge nicht so malen wie sie sind, sondern so, wie sie sie fühlen.“

Ihr seht, es gibt viele Möglichkeiten die Farben zu wählen und nur bedingt ein „Richtig“ oder „Falsch“. Mit der richtigen Farbwahl kann selbst eine technisch nicht perfekte Koloration total interessant und ansprechend wirken, man sollte sich also ausführlich mit der Wahl der Farben beschäftigen.

Womit wir bei der Frage wären: Wie setze ich das ganze denn nun technisch um? Ersteinmal ist es gut sich vorher zu überlegen, welche Farben man nimmt. Man könnte eine kleine Skizzenfassung seiner Zeichnung mehrmals einfärben und sich anschauen, welche Kombination am besten gefällt. (Das kann auch schon mal länger dauern, als das Kolorieren selbst!) Wenn man traditionell arbeitet kommt man auch häufig mit einer Grundierung erst einmal gut weiter. Bei unserer besagten Nachtszene könnte zum Beispiel eine Grundierung in Blaugrau mit anschließendem Auftragen der „echten“ Farben ein schöner Weg sein. Oder man koloriert alles konsequent in hellen und dunklen Blautönen. Oder mal für eine Nachtszene etwas anderes als Blau, ein Blaugrün oder ein interessantes Grau, die Möglichkeiten sind vielfältig und ausprobieren lohnt sich. Wenn man digital arbeitet (oder traditionell vorgearbeitet hat und sein eingescanntes Original am Rechner nachbearbeitet) kann man auch noch gut an den einzelnen Farben arbeiten. Man kann Filter oder Verlaufsumsetzungen als Einstellungsebene über das fertige Bild legen oder an den Farben an sich herumspielen.

Photoshop

Mit verschiedenen „Farbwelten“ kann man auch sehr gut Geschehnisse optisch voneinander abheben, gerade in Comics. So wirkt einiges auf den ersten Blick für den Leser verständlicher und auch ansprechender, als wenn einfach „alles bunt ist“. Generell lassen sich verschiedene Vorgänge farblich hervorragend abheben, eine Traum-oder Erinnerungssequenz könnte man einfarbig (oder nur grau mit einer zusätzlichen Farbe). Auch wenn man sich für die „ganz normale“ Lokalfarbe entscheidet, kann man sich vorher überlegen, welche Farben gut harmonieren und interessant zusammen aussehen und danach entscheiden, was welche Farbe bekommt, ob der Charakter eine gelbe oder eine grüne Jacke bekommt oder derartiges.

Und: Macht euch nicht nur Gedanken, welche Farbe gut aussieht oder „richtig“ ist, sondern was für eine Wirkung diese beim Anschauen des Lesers erzeugt!


Und noch ein Tipp: Rund um das Thema Farbe, Farbeinsatz, Farbfunktion und ähnliches gibt es sehr lesenswerte Beiträge im aktuellen Magazin von Comicgate! :-)