Blog – Kreatives und andere Wahrheiten

Wie lange ist richtig für ein Comic-Projekt? Oder: Kunst ist kein Marathonlauf

Irgendwo ist der Anfang von allem. Irgendwann ist sie da. Irgendwie hat man sie plötzlich: Die Idee. Diese Idee, wo man denkt: „Daraus müsste ich eigentlich einen Comic machen!“ Von dem allerersten Einfall bis zur Vollendung eines Werkes vergeht oftmals eine Menge Zeit. Die oftmals noch nicht mal nach der bloßen Vollendung endet, Präsentationen in Print-oder Webform, Vermarktungsaktionen und etwaige Fortsetzungen des Werkes können dafür sorgen, dass man sich mit einem Projekt nicht bloß eine kurze Weile beschäftigt. Was mich schon häufig zu der Frage gebracht hat: Wie lange ist eigentlich normal oder richtig für ein Comicprojekt? Und damit ist weniger gemeint, wie lange man an einem Band zeichnet oder derartiges. Die Frage ist mehr: Wie lange soll ich mich mit einem Projekt geistig beschäftigen?

Eine Anmerkung vorab: Wir reden hier nicht von der Art Kunst, die in erster Linie kommerziellen Absichten folgt, sondern eher von Herzblutprojekten. Aber auch da spielen diese ganzen zeitlichen Faktoren ab und zu schon eine Rolle, man tauscht sich gerne mit anderen darüber aus, wer wie lange an welchem Arbeitsschritt sitzt oder wer wie viel im Jahr an neuen Projekten anfängt oder abschließt. Manch ein Zeichner (oder Autor) hat viele Ideen und arbeitet schnell, so dass er es schafft in relativ kurzen Zeitabständen neue Werke zu präsentieren. Im Zeitalter des Internets muss es ja auch nicht immer das druckfähige Album sein, mittlerweile ist alles möglich. Andere brauchen lange, nehmen sich viel Zeit für das Entwickeln der Charaktere, das Schreiben der Story und der Dialoge und können vielleicht auch sogar nach Abschluss nicht richtig loslassen nach einem Projekt. Oder müsste man das? Ist die Sache kurz nach der Präsentation an ein Publikum (und ein bisschen Werbung danach) beendet? Ist das der Zeitpunkt, wo man anfangen sollte/kann/muss sich geistig mit einer neuen Idee und einem neuen Projekt zu beschäftigen?zeit

An dieser Stelle schreit einen die wahrscheinliche Antwort auf diese Fragen fast schon an: Jeder sollte individuell festlegen, wie lange er an einem Comicprojekt festhält. Es ist nicht wichtig, ob man 10mal mehr Vorbereitungszeit oder 20mal mehr Zeichenarbeit benötigt als irgendein anderer Zeichner, zur eigenen Arbeit und zur eigenen Idee gehört auch das eigene Tempo. Vielleicht schafft man eben nicht 10 Seiten in der Woche, sondern nur eine. Eventuell muss man mal längere (kreative) Pausen einlegen und kann nicht durcharbeiten. Ich denke man sollte aufhören sich unnötig vom Tempo und von der Dauer der Projekte anderer beeinflussen lassen. Klar vergleicht man als Künstler häufig und ganz verkehrt ist das sicher auch nicht. Aber kein Tempo ist schlechter als das andere. Wenn man langsam ist, ist man nicht automatisch ein schlechterer Künstler. Kunst ist kein Marathonrennen, es gewinnt nicht, wer als erstes im Ziel ist. 

Und es geht weiter: Es gibt auch nicht den richtigen ZeitPUNKT um mit etwas neuem anzufangen. Vielleicht kommt einem die zündende Idee schon während eines laufenden Projektes, vielleicht auch erst ein paar Jahre danach. Sich hinsichtlich dessen, wann man denn „weitermacht“ und was neues beginnt unter Druck zu setzen oder gar setzen zu lassen ist nicht förderlich, wenn man Kunst und nicht Fließbandseifen produzieren möchte. Wenn ein Werk einmal fertig ist, steht selten drauf: „Beachtet bitte beim Lesen, dass ich das ganze in nur einem Monat fertig gezeichnet habe!“ oder ähnliches, dann zählt nicht mehr das Tempo, sondern die Qualität. Das sollte man nicht vergessen.

Ich würde sagen es ist mit Comicprojekten so ähnlich wie mit einer Beziehung, wenn irgendwann die Luft aus dem alten Projekt raus ist und man sich bereit für etwas neues fühlt, dann ist der richtige Zeitpunkt für etwas neues da. Wenn eine Idee kommt, während man noch an einer „alten“ arbeitet, sollte man sich diese merken und eventuell in geringem Maße daran weiter arbeiten, ohne die aktuelle aufzugeben (nicht ganz wie in einer Beziehung.) Ein Projekt ganz abzubrechen sollte man sich natürlich gut überlegen, aber ich denke auch das muss erlaubt sein, wenn man absolut keine Begeisterung mehr dafür aufbringen kann. Man muss nur lernen gelegentliche Durststrecken von echten Krisen zu unterscheiden.

Das Wichtigste bleibt aber: Es gibt hier kein Richtig und kein Falsch, es gibt kein wirkliches Schnell oder Langsam. Wir machen doch Kunst! :-)