Blog – Kreatives und andere Wahrheiten

Das Märchen vom talentierten Comiczeichner – Oder: Ist Kunst eine Geldfrage?

Es ist ein kalter Winterabend. Ein unerbittlicher Schneesturm fegt durch die Gassen der sonst belebten Stadt, die meisten Menschen fliehen nach drinnen und wärmen sich mit heißem Tee oder Suppe wieder auf. In einem der vielen Häuser sitzt, wieder einmal seit Stunden fleißig arbeitend, ein Comiczeichner an seinem nächsten, großen Werk. Es sollen einmal 10 Bände mit jeweils 100 Seiten werden, Albumformat, vollfarbig. So etwas braucht Zeit, aber unser Comiczeichner hat genug davon. Leider kann er sich aufgrund des großen Arbeitsaufwandes nichts anderem als nur diesem Comic widmen. Deswegen hat er mit seinem Vermieter vereinbart, dass er erst einmal keine Miete zahlt, was dieser natürlich völlig verstehen konnte, genauso wie auch die Herren von den Stadtwerken, von den Gaswerken, (man will ja als Comiczeichner nicht frieren) oder auch die Verkäufer in den Geschäften. Das nächste große Werk des Comiczeichners wird wahrscheinlich ohnehin ein Bestseller und Geld wird für den Zeichner nach Veröffentlichung sicher keine Rolle mehr spielen. So kann unser Comiczeichner ungestört und unermüdlich weiter an seinem großen Werk arbeiten.

An dieser Stelle beende ich die Märchenstunde und wir kehren zurück in die Wirklichkeit, wo unser Comiczeichner es nicht so leicht hat, wie vielleicht in der obigen Version. Und so beschäftige ich mich heute mit der Frage: Inwieweit ist Comiczeichnen eine Frage des Geldes? Ist es überhaupt eine Frage des Geldes? Reicht nicht Talent und ein bisschen Disziplin völlig aus?

Kunst und Geld – das ewige Thema

Das Verhältnis zwischen Kunst und dem lieben Geld ist nicht neu. Schon zu früheren Zeiten waren Künstler oftmals sehr arm oder abhängig von Mäzenen, die ihren Lebensuntgeld comics förderungerhalt finanzierten oder fertigten Auftragsarbeiten für Kunden an, um ihre Kosten zu decken. Daran hat sich seither so viel nicht geändert, auch heute muss ein Künstler sehen, wie er Geld reinbekommt, denn die meisten haben sicherlich keine kunstverständigen Vermieter oder Supermarktverkäufer. Jeder von uns hat Kosten und muss Rechnungen bezahlen. Auch Künstler, auch Comiczeichner. Nur die allerwenigsten können tatsächlich „nur vom Comiczeichnen“ leben. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten damit umzugehen, manch ein Zeichner arbeitet noch als Illustrator für kommerzielle Projekte und Auftragsarbeiten, ein anderer hat vielleicht einen ganz anderen Job oder schlicht und ergreifend jemanden, der ihn finanziell unterstützt. Aber gehen wir mal von dem Fall aus, dass der Comiczeichner selber und ganz alleine seine Brötchen verdienen muss, stehen wir schnell vor einem Problem: Nämlich dem Zeitproblem. Wo bleibt denn bei einem 40 Stunden-Job noch die Zeit für einen Comic?

An dieser Stelle hat die Kunst ein ähnliches Problem wie der Leistungssport. Im Sport und auch in der Kunst ist Talent eine schöne Sache, dennoch braucht aus das größte Talent etwas ganz essenzielles zum Erfolg: Übung. Und dazu Zeit zum Üben. Gehen wir von zwei gleich talentierten Künstlern oder Sportlern aus, von denen der eine aber nur halbtags üben kann, weil er sich ansonsten seiner Ausbildung, seinem Studium oder seiner „normalen“ Arbeit, kurz gesagt der Absicherung seines Lebensunterhaltes widmen muss. Der andere dagegen kann sich jeden Tag Vollzeit dem Training widmen. Selbst wenn wir mit einbeziehen, dass natürlich trotzdem noch jeder sein eigenes Lerntempo hat, ist offensichtlich, dass letzterer einen eindeutigen Vorteil hat. Und hier sind wir genau bei dem Grund, warum Förderung von Kunst mit GELD so wichtig ist.

Mehr Geld und mehr Anerkennung für Comics und Künstler

Dennoch hält sich das Vorurteil vom Genie-Comiczeichner, der mit etwas Talent und Spaß an der Freude Berge von Comicseiten produziert, die vor Perfektion, durchdachten Storytwists und spritzigen Dialogen nur so strotzen. Und wahrscheinlich entweder von dem Erfolg seines Erstlingswerkes das ganze Leben lang zehren kann oder trotz eines Vollzeitjobs und drei Kindern noch genügend Zeit dafür hat (wer braucht schon Schlaf?).

Wir benötigen nicht nur ein paar talentierte Köpfe, sondern eben auch schlicht und ergreifend mehr Förderung durch Geld. Künstlerisches Arbeiten muss hierzulande mehr gewürdigt und vor allem ausreichend bezahlt werden. Deswegen müssen wir weg von: „Ich brauche ein Corporate Design und ein paar Illustrationen bis spätestens morgen, ohne Bezahlung zwar, aber das ist ja quasi Werbung für sie.“ In jedem anderen Job werden anstandslos die geforderten Preise für eine Dienstleistung gezahlt, bei kreativen Tätigkeiten jedoch scheint die Würdigung hierzulande dafür nicht ganz auszureichen. Man hört als Künstler häufig, dass diese Tätigkeiten ja „Spaß machen“ und daher sowieso angeblich keiner Entlohnung bedürfen. Und das mit der „Werbung für den Künstler“ – ich denke ich brauche nicht weiter zu erläutern, dass das nicht mehr ist als ein Scheinargument iat, damit der Künstler schlicht und ergreifend kostenlos arbeitet.

Vielleicht braucht der Künstler das Geld nicht für teure Zeichengeräte, aber er hat 1. Kosten wie jeder andere, die gedeckt werden müssen und 2. ermöglicht die existenzielle Absicherung erst jemandem überhaupt die Zeit zu haben, konzentriert zu arbeiten und zu üben (ich erwähnte ja schon den Vergleich mit dem Leistungssport). Mir graut es mittlerweile nicht nur vor erwähnten, dubiosen Auftragsanfragen sondern auch vor ebenso dubiosen Wettbewerben, bei dem der Zeichner viel leisten muss, aber (selbst als Gewinner!) kaum entlohnt wird oder sogar noch sämtliche Rechte an seinem Werk mal eben abgeben soll.

Und hier sprechen wir ja sogar von Comiczeichnern, die schon so einigermaßen wissen, was sie tun. Käme ich jetzt auf die noch ungelernten Talente zu sprechen, die zwar Talent und auch Begeisterung mitbrächten, aber aufgrund der berühmten Geldfrage (und mangels Ausbildungsmöglichkeiten) nicht in der Lage sind Kunst zu schaffen, würde das diesen Rahmen hier endgültig sprengen.

Förderung und Anerkennung für Comics müssen eindeutig weiter zunehmen. Talent und Wille sind schön und gut, aber eben nur die halbe Miete. Selbst ohne den Anspruch einmal Millionär zu sein kommen wir an der Geldfrage alle leider nicht vorbei.

  1. Taku

    27. November 2014 at 21:19

    …danke dafür.
    Ich denke, ich muss nach diesem text nicht weiter erläutern, warum ich mich dagegen entschieden habe, hauptberuflich im künstlerischen Bereich tätig zu sein.
    Besonders, wenn dann wieder so ein gefürchtetes „KreaTief“ um die Ecke kommt, und man nicht einmal Lust hat, 08/15-Kram abzuliefern. Wenn ich das tun MÜSSTE, um nächsten Monat nicht auf der Straße zu sitzen…das wär die Hölle.

  2. ednong

    30. November 2014 at 23:37

    Hm,
    du machst es doch aber hauptberuflich, Temel, oder?

    Ich denke, es ist ein generelles Problem gegenüber Dienstleistungen – ganz besonders im kreativen Bereich oder des eben nicht-alltäglichen und nicht-fassbarem. Also Gestaltung von Briefpapier, PC-Installationen oder -Reparaturen. Also Dingen, die man lieber nach Zeit abrechen sollte, bei denen die meisten Leute aber viel lieber einen Festpreis hätten. Und ich dann nicht mal abschätzen kann, was an Arbeit da auf mich zukommt.

  3. ednong

    30. November 2014 at 23:41

    Ach,
    und wenn man dann mal halbwegs vernünftig kalkuliert und sagt, bei einer vollständigen Selbstständigkeit hat man zwischen 80 und 100 h wirklich Zeit für Aufträge und verbringt den Rest mit Buchungskram, Weiterbildung, Einkauf etc – dann kann man sich ausrechnen, wie hoch der Stundensatz sein müßte, damit man dann alles noch bezahlen kann, was an Kosten anfällt.

    Und meiner Meinung nach fängt das bei ca. 45 E an – denn brutto sind gerade hier nicht netto!